Seit 2019 wurde das sogenannte dritte Geschlecht juristisch anerkannt, denn seit dem 01. Januar 2019 haben intersexuelle Menschen die Möglichkeit, sich im Personenstandregister als „inter“ oder „divers“ eintragen zu lassen. Dies geht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.10.2017 zurück.
Somit muss überall dort, wo ein Geschlecht aufgeführt wird, auch das dritte Geschlecht angesprochen werden – auch in Stellenanzeigen.
Der Hintergrund
Der Auslöser der aktuellen Gesetzesänderung liegt schon viele Jahre zurück. 2013 Klagte eine intersexuelle Person, die als Kind als weiblich festgeschrieben wurde, dass sie im Geburtenregister als neutral, mit der Bezeichnung „inter“ geändert werden möchte. Ihr Antrag wurde zunächst abgelehnt. Daraufhin legte sie eine Chromosomenanalyse vor, die nur ein X-Chromosom aufweist und sie somit tatsächlich nicht als Mann oder Frau bestätigt. Trotzdem scheiterte die Klage bis zur höchsten Instanz. Sie reichte Verfassungsbeschwerde ein und hatte Erfolg.
Was ist Intersexualität?
Anders als bei Transsexuellen, die sich körperlich genau zuordnen lassen, ist bei Intersexuellen die genaue Festlegung eines Geschlechts biologisch nicht möglich. Meist kommen bei ihnen Merkmale von beiden Geschlechtern vor, was die Bezeichnung „Intersexuell“ rechtfertigt. Früher oft Zwitter oder Hermaphroditen genannt, sind diese Bezeichnungen heute nicht mehr zeitgemäß, da sie als diskriminierend gelten.
Wie viele Menschen betrifft das dritte Geschlecht?
Schätzungsweise leben in Deutschland zwischen 80.000 und 120.000 intersexuelle Menschen, genaue Zahlen gibt es leider nicht.
Welche Konsequenzen hat das dritte Geschlecht
im Personalwesen?
Im Grunde ist das dritte Geschlecht im Personalwesen eine logische Konsequenz schon lange bestehender „Gleichberechtigungs-Debatten“.
Bereits 1980 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem Paragraphen § 611b BGB ergänzt, indem eine geschlechtsneutrale Arbeitsplatzausschreibung verankert wurde.
Am 14. August 2006 trat zudem auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, in dem steht:„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (Paragraphen 1, 7 und 11 AGG)
Mit der juristischen Anerkennung des dritten Geschlechts ist das Anpassen von Ausschreibungen mit geschlechtsspezifischen Ausdrücken eigentlich nur eine logische Folge. Dennoch entbrach 2018 eine regelrechte AGG-Panik los. Keiner wusste genau, welche Auswirkungen der Beschluss des Verfassungsgerichtes haben würde und wie damit im Unternehmen umgegangen werden könnte.
Müssen Arbeitsverträge komplett umgeschrieben und ergänzt werden?
Wie sind die korrekten Formulierungen?
Was darf man in Stellenanzeigen schreiben, was nicht?
So gehen Sie in Stellenanzeigen und Verträgen richtig vor!
> Arbeitsverträge
Grundsätzlich müssen keine bis zum 31.12.2018 unterzeichneten Arbeitsverträge in irgendeiner Form umgeschrieben werden.
Alle ab dem 01.01.2019 geschlossenen Arbeitsverträge sollten dann, konform mit den offiziellen Eintragungen im Personenstandsregister, ergänzt werden. D.h. statt „m“ und „w“, sollte nun auch das „d“ für divers oder „inter“ enthalten sein.
> Stellenanzeigen
Bekanntlich der einfachste Weg ist das Nutzen von geschlechtsunspezifischen, neutralen Berufsbezeichnungen.
Geeignete Abkürzungen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten in Arbeitsverträgen und Stellenanzeigen die Geschlechtsvielfalt zu berücksichtigen.
Folgende Bezeichnungen sind für das dritte Geschlecht geläufig:
- Divers (d/div)
- Andere (a)
- X
- Inter (i)
- *
Wichtig: Bitte verwenden Sie niemals ein t für Transgender – diese Bezeichnung verfehlt völlig den Sinn, da es sich bei transsexuellen Personen nicht um intersexuelle Menschen handelt.
Mitarbeiter mit bestimmten Eigenschaften suchen
Neben all der Rücksichtnahme auf Geschlechtsbezeichnung, achten Sie zusätzlich auch darauf, dass in Texten Neutralität beibehalten wird.
Sucht man einen Mitarbeiter der tatkräftig anpacken kann, so ist die erste Assoziation bei vielen Menschen ein Mann. In unserer Gesellschaft haben sich in den geschlechtsspezifischen Rollen gewisse Attribute manifestiert, die unterbewusst Frauen oder Männern zugeordnet werden. Doch nicht alle Frauen, Männer und Intersexuelle entsprechen dem erwarteten Bild.
Typische Klischees
eher weiblich
eher männlich
- Analytisch
- Direkt
- Logisch
- Objektiv
- Unabhängig
- Selbstbewusst
Das Alter eines Bewerbers
Auch das Thema Alter ist im Gleichstellungsgesetz ein großes Thema. Natürlich. Ist man ein Team vieler junger Mitarbeiter geht man eher davon aus, das ein ebenfalls junger Mitarbeiter sich in diesen Kreisen besser einfügt. Phrasen wie…
- „Wir sind ein junges Team“
- „unser Altersdurchschnitt liegt im Büro unter 35 Jahre.“
- „Wir suchen hübsche Mädchen als Messehostessen“
- „suchen starken Mann zum Anpacken im Lager“
…. klingen im ersten Moment nicht sonderlich verwerflich. Sie entsprechen jedoch in keiner Weise dem Gleichstellungsgesetz und sollten unbedingt vermieden werden.
Verabschieden Sie sich von Klischees!
Denken Sie um und lösen Sie sich von Klischees. Schnell tappt man als Arbeitgeber unbewusst in Fettnäpfchen, die einem schnell einmal eine Klage einhandeln können.
Denken Sie außerdem daran: Es könnten Ihnen hochqualifizierte Mitarbeiter entgehen, die – obwohl sie nicht Ihrer Klischeevorstellung entsprechen – perfekt in Ihr Team passen und all die Eigenschaften mitbringen, die Sie von Ihrem Bewerber erwarten. Trotz des vermeintlich „falschen“ Geschlechtes oder Alters.
Sie haben dennoch bestimmte Vorstellungen, von den Eigenschaften, die Ihre neuen Mitarbeiter auszeichnen sollen? Anstatt diese Eigenschaften direkt, geschlechtsspezifisch zu benennen, gehen Sie etwas sanfter vor und beschreiben Sie die gewünschten Eigenschaften doch einfach ganz neutral.
Was sind die Konsequenzen für Diskriminierung in Stellenanzeigen?
Grundsätzlich können Unternehmen auf Schadensersatz verklagt werden, wenn sich Bewerber durch die Formulierungen in Stellenanzeigen diskriminiert fühlen.
Was beinhaltet das Recht auf Schadensersatz wegen einer Diskriminierung?
§ 15 AGG verschafft Arbeitnehmern, die unter Verstoß gegen §§ 1, 7 Abs.1 AGG benachteiligt wurden, einen Anspruch auf Ersatz des durch die Diskriminierung entstandenen materiellen Schadens. Ein Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Benachteiligung „zu vertreten“, d.h. verschuldet hat. Ein solches Verschulden liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber die Diskriminierung entweder selbst vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat oder wenn einer seiner „Erfüllungsgehilfen“, d.h. zum Beispiel ein Vorgesetzter, in dieser Weise gehandelt hat.
Zusätzlich können die „Diskriminierten“ Schmerzensgeld für den immateriellen Schaden verlangen. Hierfür gibt es allerdings keine konkrete Berechnungsgrundlage, daher ist es fraglich wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um „angemessen“ zu sein. Die europäischen Richtlinien, die nach dem AGG umzusetzen sind verlangen eine „ausreichende Abschreckungswirkung“, daher darf das Urteil der deutschen Arbeitsgerichte nicht zu milde ausfallen.
Drei bis sechs Monatsgehälter sind daher nicht ungewöhnlich, bei schweren Fällen sogar bis zum Ersatz von 12 Monatsgehältern.
Bei Benachteilungen im Zusammenhang mit einer Einstellung ist die Geldentschädigung – für den Fall der geschlechtsbezogenen Einstellungsdiskriminierung – auf höchstens drei Monatsverdienste begrenzt, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Bewerberauswahl nicht eingestellt worden wäre (weil beispielsweise andere Bewerber besser geeignet waren).
Arbeitsgerichte verwenden realistischer Weise die Dreimonatsgehaltsgrenze als eine inoffizielle Obergrenze und verordnen bei „normaler“ Bewerberdiskriminierung ein bis zwei Gehälter als Entschädigung zu.
Besteht das Recht auf Einstellung?
Nein, es besteht kein Anspruch, gemäß § 15 Abs. 6 AGG ist ein „Einstellungsanspruch“ gesetzlich ausgeschlossen.
AGG Hopper
So genannte „AGG Hopper“ sind Menschen, die sich auf inkorrekt Stellenanzeigen bewerben, nur um Schadensersatz und Schmerzensgeld abzugreifen. Daher achten Sie in Ihren Stellenanzeigen genau auf die oben genannten korrekten Formulierungen, Sie sparen sich somit viel Geld und unnötigen Ärger.